Das Schützenwesen war in seinem geschichtlichen Ursprung eigentlich eine Angelegenheit der volljährigen Männer. Dies war auch durchaus nachvollziehbar, denn schließlich ging es um das Einüben von Schießfertigkeiten zur Verteidigung des Dorfes. Diese militärische Bedeutung verlor das Schützenwesen jedoch schon zum Ende des 18. Jahrhunderts. Die Bruderschaft hielt aber an diesen Traditionen fest. Insbesondere ab den 1870er Jahren imitierten die Schützen mit ihrem Schützenfestzeremoniell den preußischen Militarismus des Kaiserreichs. Das Schützenfest erhielt einen strengen militärischen Charakter und war damit weiterhin reine Männersache.

Parallel zur St.-Sebastianus-Bruderschaft gründete sich, wie auch in anderen Orten, Anfang des 19. Jahrhunderts eine Junggesellenbruderschaft, die bis zum Ersten Weltkrieg ihr eigenes Schützenfest veranstaltete. In diese eigene Bruderschaft fanden dem Selbstverständnis entsprechend die unverheirateten, jüngeren Männer Aufnahme. Kinder und Jugendliche waren zu den Festen nicht zugelassen. Dies hinderte jedoch insbesondere die Jungen nicht daran, ihren Vätern nachzueifern. So finden sich schon in den 1920er Jahren so genannte Kindervogelwerfen, die von der Kompanie Heide organisiert wurden. In den frühen 1930er Jahren gab es bereits ein eigenes großes Kinderschützenfest. Der Wunsch der Kinder, es den Vätern gleich zu tun, war damit immer schon gegeben.

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Mit der Wiederaufnahme der Schützenfeste 1955 nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auch ältere Jungen in die Schützengruppen aufgenommen. Bis zum Entstehen eigener Kinderschützengruppen sollte es jedoch noch fast ein Jahrzehnt dauern. Fast zeitgleich bildeten sich zur Mitte der 1960er Jahre mit der Kindergruppe der Kompanie Heide und den Tellschützen der Kompanie Bovert erste eigenständige Kindergruppen. Diese Gruppen wurden jeweils etwa sechs Wochen vor dem Schützenfest zusammengestellt und lösten sich nach Ende des Festes wieder auf.

Wie alles Neue, sorgte auch diese Neuerung anfänglich für ein geteiltes Echo. Mancher Schütze lehnte die Gruppen mit dem Hinweis ab, dass man schließlich kein „Kindergarten“ sei, wobei stets auf den militärischen Charakter des Festes verwiesen wurde. Eher mürrisch nahm man dabei zur Kenntnis, dass die Kinder- und Jugendgruppen bei den Zuschauern dagegen von Beginn an große Zustimmung fanden. Die in den Vorständen der größeren Gruppierungen Verantwortung tragenden Schützen erkannten allerdings zunehmend die Bedeutung der Jungschützengruppen als wichtiges Element der Nachwuchswerbung. War das Heimat- und Schützenfest in den 1950er und 1960er Jahren fast die einzige größere Aktivität im Dorf, sieht sich das Schützenbrauchtum heute in starker Konkurrenz zu einer fast unüberschaubaren Vielfalt an Freizeitangeboten. Die Katholische Jugend, aus deren Reihen bisher manche Schützengruppe hervorgegangen war, fiel als Partner seit den 1980er Jahren zunehmend aus. Die Schützen mussten sich daher verstärkt selber der Kinder- und Jugendarbeit annehmen.

Heute gehören die Kinder- und Jugendgruppen, wie die Tellschützen, die Kindergruppen der Kompanie Heide, die Armbrustschützen OTV, der Landwehr-West, der Landsknechte Dorfmitte und der Roten Friderizianer, oder die Vogelträgergruppe zum festen Bestand des Osterather Schützenregimentes. Dies ist eine stattliche Zahl.

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Die großen Jugendgruppen sehen ihre Aufgabe dabei nicht alleine in der Feier des Schützenfestes alle zwei Jahre. Aus den sich zum Schützenfest spontan bildenden Kindergruppen entwickelten sich seit Anfang der 1980er Jahre beständige Jugendgruppen mit einem festen Mitgliederstamm. Auch wandelte sich zunehmend das Selbstverständnis der Jungschützengruppen. Verstanden sie sich bisher vorwiegend als „Schützenfest-Feiervereine“, so entwickelten sie sich nun zu eigenen Jugendgruppierungen mit einem allgemeinen, jugendpflegerischen Programm. So gehören Fahrradtouren und Bastelnachmittage, Ausflüge, Kartoffelfeuer und Weihnachtsfeiern zum festen Programm.

Auf Initiative des damaligen Brudermeisters Karl Theo Schöndeling formierte sich die St.-Sebastianus-Schützenjugend als selbstständig arbeitender Jugendverband innerhalb der St.-Sebastianus-Bruderschaft. Alle großen Jugendgruppierungen schlossen sich, soweit sie nicht bereits zur Bruderschaft gehörten, der Schützenjugend an. Eingebunden in die Organisationsstrukturen des Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften, gehört die St.-Sebastianus-Schützenjugend als anerkannter Träger der freien Jugendhilfe dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend an.

Ausgestattet mit einem eigenen Jugendvorstand und geleitet von gewählten Jungschützenmeistern gestalten sie ihr Jahresprogramm selbstständig. Zu den Höhepunkten im Jahreskalender gehört das Kinderschützenfest, das alle zwei Jahre im Frühsommer gefeiert wird. In dessen Rahmen werden abwechselnd der Kinder- und der Jugendkönig bzw. –königinnen ermittelt. Hierbei gilt es, entsprechend dem Vorbild der „großen“ Schützen, einen Vogel mit der Armbrust von der Stange zu holen. Seit einigen Jahren organisiert die St.-Sebastianus-Schützenjugend darüber hinaus auch zusammen mit dem Katholischen Kindergarten St. Nikolaus und dem Kinderchor „Die Nikolausspatzen“ zum Namensfest das Pfarrpatrons eine große Nikolausfeier in der Kirche.

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Mit der Zulassung von Kindergruppen mussten sich die Schützen allerdings mit einem Thema beschäftigen, dass man in den 1960er Jahren in seiner ganzen Dimension noch nicht erkannte: Die Aufnahme von Mädchen und Frauen in den Reihen der Schützen. So brachen noch eine Woche vor dem ersten Schützenfest 1955 heftige Diskussionen im Festkomitee darüber aus, ob man die Ehefrauen des Königs und der beiden Minister zum Fest zulassen sollte. Erst als der damalige Minister Oellers mit seinem sofortigen Rücktritt drohte, lenke Präsident Erich Bacher schließlich ein. Tatsächlich aber beschränkte sich die Beteiligung der Frauen in den Folgejahren auf die Mitwirkung im Hofstaat.

Dieses klassische und heute längst überholte und nur noch antiquiert wirkende Rollenverständnis blieb bis Ende der 1960er Jahre stabil. Ab den 1970er Jahren, im Zuge der gesellschaftlichen Neuorientierung, wurden die Diskussionen für die im Schützenwesen aktiven Familienväter in den häuslichen vier Wänden jedoch immer schwieriger. Mit welcher Begründung gestanden „Mann“ dem Sohn die aktive Teilnahme am Schützenfest zu, während diese der Tochter strikt untersagt blieben? Zusätzlich schwierig wurde die Situation, da sich die aktiven (männlichen) Schützen in der überwiegenden Zahl aller Fälle nicht in der Lage sahen (und vielleicht auch sehen wollten), Kindergruppen zur leiten. So gab und gibt es gleich eine ganze Reihe von Schützengruppen, die die Gründung einer Nachwuchsgruppe zwar für überlebensnotwendig halten, aber keinen geeigneten Jugendwart in den eigenen Reihen finden. Mit Männern und Frauen, die sich dieser Arbeit annehmen, steht und fällt aber alle Jungschützenarbeit. Die starke Zurückhaltung hat dabei durchaus ihre Berechtigung, denn hinter jeder Kinder- und Jugendgruppe steckt eine ausgefeilte Organisation und Logistik. Kaum ein Kleidungsstück kann geliehen werden. Viele Trachten werden selber genäht. Fahrdienste müssen organisiert und Aufsichtspflichten detailliert abgesprochen werden. Die Übertragung der Leitung der Jugendgruppen auf Frauen, führte zu erheblichen juristischen Problemen. Denn es stellte sich nun die Frage, auf welche Weise man den Damen eine entscheidende, verantwortungsvolle Rolle im Schützenzug zuweisen könne, ohne dass man gezwungen war, sie als Mitglied aufzunehmen. Diese mit großer Leidenschaft geführten Beratungen fanden nicht nur während der Versammlungen statt, sondern wurden auch am heimischen Küchentisch weitergeführt, was die Angelegenheit nicht unbedingt vereinfachte. Mit Hinweis auf die jahrhundertealten Traditionen und den streng militärischen Charakter des Schützenfestes stellten die Männer dar, dass das Schützenwesen reine Männersache sei – und die Mädchen wurden in die meisten Jugendgruppen aufgenommen.

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Heute stellen die Mädchen in den Jungschützengruppen mehr als die Hälfte aller Mitglieder.

Stellten die ersten Jungschützengruppen nur einen nett anzusehenden Beitrag im Festzug dar, bilden sie heute das Fundament für den Fortbestand des Schützenwesens. Schließlich sollen sie die Idee des Schützenwesens, das Eintreten für „Glaube, Sitte und Heimat“, in die nächste Generation tragen. Darüber hinaus sind sie längst zu einem wichtigen Element der Jugendpflege geworden.

Eine Jugendwartin stellte vor einiger Zeit einmal fest: „Wenn ein Erwachsener später einmal zurückblickt und sagt, ‚Bei den Jungschützen, das war eine tolle Zeit!“ dann hat sich die viele Arbeit gelohnt.“

Wohl wahr!

In Anerkennung des besonderen Engagements der Jungschützen im Osterather Schützenregiment und zur Förderung der Jugendschützenarbeit ermittelte der Heimat- und Schützenbund, erstmalig für das Schützenjahr 1998/2000 einen Jungschützenkönig. Jeder aktive Jungschütze kann die Jungschützenkönigswürde mit Vollendung des 16. Lebensjahr erwerben, sollte jedoch nicht älter 22 Jahre sein. Das Interesse an der Jungschützenkönigswürde ist groß und ist damit ein fester Bestandteil unseres großen, alle zwei stattfindenden Schützenfestes geworden.